Zu der Zeit als das Heer Napoleon’s gegen Moskau vorrückte, blockirte die vereinigte russisch-brittische Flotte unter dem Befehl des englischen Admirale die im Hafen von Vliessingen eingeschlossene französische Flotte.
In der ungünstigsten Jahreszeit, auf einem allen Winden offenen Meere, in unermeßlichen Tiefen ihre Anker werfend, hatten die vereinigten Flotten den doppelten Kampf mit den Elementen und mit dem Feinde zu bestehen. Hinter sich hatten sie den Oecan mit den brausenden Wogen, vor sich die Feuer und Eisen speienden Batterien.
Im October waren die Stürme furchtbar und anhaltend. Um sich einen Begriff von den Drangsalen einer in solchem Wetter vor Anker liegenden Flotte zu machen, muß man einen Sturm auf offener See erlebt haben. Das Kriegsschiff bleibt dann unbeweglich, aber es erbebt an allen Gliedern, wie ein gefesselter Riese, der vor den gegen ihn andringenden gewaltigen Wellen nicht zu fliehen vermag.
Der Orkan, der in der Nacht vom 16. zum 17. October wüthete, vernichtete mehre Schiffe an den Küsten Hollands und Englands. Die ganze Nacht hindurch hörte man mitten in der Finsternis und mitten in dem tobenden Sturm von Zeit zu Zeit Nothschüsse, welche der Schöpfung zuriefen: Wir sind verloren! Es waren die letzten Lebenszeichen, welche ihren Wiederhall im Grabe finden.
In der Morgendämmerung eines trüben Tages, der jener Schreckensnacht folgte, sah man die furchtbare Lage der Flotte. Die Linie war durchbrochen, die Taue waren zerrissen, die Maste zertrümmert. Einige von ihren Ankern losgerissene Schiffe waren, dem noch immer tobenden Sturm preisgegeben, die sich wie Berge aufthürmenden Wellen schienen sie verschlingen zu wollen. Selbst die Seeleute gaben alle Hoffnung auf.
Das russische Linienschiff »Wladimir« war an mehren Stellen leck geworden. Es war das letzte am linken Flügel der Linie und lag sehr nahe an den Felsen, die sich beinahe eine halbe Seemeile parallel mit der Küste ins Meer erstrecken. Die Matrosen arbeiteten mit allen Kräften theils an den Pumpen, theils am Takelwerk: sie wußten wohl, daß ihr Leben von der Kraft ihrer Arme abhing; aber alle Arbeit wäre fruchtlos, der Untergang der gesamten Mannschaft unvermeidlich gewesen, wenn sich nicht bald nach Sonnenaufgang der Sturm gelegt hätte. Die Hoffnung der Rettung wurde bald zur Gewißheit. Jeder Matrose erhielt ein Glas Branntwein, die Ordnung wurde am Bord wieder hergestellt und die Hälfte der Mannschaft konnte sich ausruhen.
Es war vier Uhr Nachmittags. Der Lieutenant, dem es ebenfalls vergönnt war zurasten, begab sich auf das Verdeck und sagte, seine Mütze lüftend, zu dem auf- und abgehenden Capitän:
»Ich habe Alles in Ordnung gebracht. Der Wind bläst Nordostwest. Wir liegen mit einhunderteinundsiebzig Faden Kabel in einer Tiefe von achtundsiebzig Faden vor Anker.«
»Aber der untere Schiffsraum? Wie sieht’s da aus, Nicolai Alexiewitsch ?« fragte der Capitän.
»Alles geht gut, wir haben das Wasser ausgepumpt. Haben Sie noch etwas zu befehlen?«