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Gabriele

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Alexandre Dumas
Gabriele

Erster Theil

Erstes Kapitel
Eine verarmte Dame aus der großen Welt

Es gibt keine Frauen mehr! nein, mein lieber Graf, es gibt keine Frauen mehr,« rief schmerzvoll die Marquise von Fontenoy-Mareuil, indem sie sich zu dem Grafen Rhinville wendete, der neben ihr im Wagen saß. Der Graf seufzte, schien aber keineswegs aufgelegt zu sein, eine Behauptung, die im ersten Augenblicke fremdartig und gewagt erscheinen konnte, zu bezweifeln oder zu bestreiten.

Da die Marquise keinen Widerspruch fand, so sah sie sich genöthigt, dem Vergnügen einer weiteren Erörterung zu entsagen. Der Graf, seit langer Zeit Vertrauter ihrer Gedanken, war entweder überwunden, ober fürchtete, es zu werden, er antwortete nicht und zeigte auch nicht einmal Ueberraschung, als die Marquise obige Behauptung aufstellte, die freilich zu oft in ihren Gesprächen vorkam, als daß er nicht hätte daran gewöhnt sein sollen.

So saßen sie denn schweigend neben einander, während der Wagen rasch dahin rollte, sie hatten einander wenig zu sagen,'denn in dem Wen Alter Beider fallen die Worte langsam, trübselig und sparsam. In der Jugend theilt man einander seine Gedanken und Gefühle weit schneller mit – da folgen die Ausdrücke und die Sätze lebhaft und zusammenhängend, man offenbart, oder läßt erathen, die Gedanken, Pläne, Hoffnungen, die Schmerzen und die Freuden des Daseins. Man spricht oft, ohne es zu wissen, zu gleicher Zeit; man hat einander so viel zu sagen! – Zwei Greise dagegen würden fast immer schweigsam sein, wenn nicht besondere Gründe sie bewögen, das Schweigen zu brechen, und dennoch bleiben gegen ihren Willen die Sätze oft unvollendet. Zuweilen sogar halten sie mitten im Gespräch inne, wenn sie einander ansehen; – sie sagen nichts, sie betrachten die weißen Haare, die Runzeln, welche ihre Stirnen falten, jene Spuren der Zeit und der Schmerzen, die ihren Gesichtern eingeprägt sind. Sie lesen darin die Leiden und Sorgen der Vergangenheit, die Trübseligkeit der Gegenwart, die wenigen Hoffnungen, welche die Zukunft darbietet, und somit bleibt ihnen für dieses Leben nur noch wenig zu besprechen übrig.

Die Marquise von Fontenoy-Mareuil schien indessen ungeachtet ihrer siebzig Jahre heute durch irgend eine wichtige Angelegenheit bewegt zu sein, denn sie wiederholte lebhaft: »Und weil es keine Frauen mehr gibt, Herr Graf, geht Frankreich verloren, – gehen die jungen Leute verloren – und geht mein Enkel . . .« Hier hielt sie inne, zögernd, eine entschiedene Anklage gegen den Gegenstand ihres Stolzes und ihrer Zärtlichkeit auszusprechen.

Der Graf konnte sich eines feinen Lächelns nicht enthalten, indem er entgegnete:

»Ich hätte ganz das Gegentheil vermuthet.«

Die Marquise war in diesem Augenblicke nicht zum Scherzen aufgelegt, auch blieb sie ernst und traurig, indem sie hinzufügte: »Ohne Zweifel gibt es noch junge Mädchen, Gattinnen und Mütter. – Man heirathet noch die Frauen, die reich, man verliebt sich noch in die, welche hübsch sind, aber hierauf beschrankt sich auch jetzt die ganze Macht der Frauen. – Die Salons existieren nicht mehr, die Conversation hat aufgehört; der gute Geschmack ist mit beiden verschwunden und der Geist der Gesellschaft hat allen Glanz verloren. Ihr habt einen König, welcher Minister ein- und absetzt – eine Deputirtenkammer, die Gesetze gibt und widerruft, – eine Pairskammer, die gar nichts thut; – aber habt Ihr eine Macht, welche liebenswürdige Menschen schafft? – welche die jungen Leute den Gesetzen der feinen Lebensart unterwürfig macht? die sie lehrt, daß der gute Geschmack ein Beweis von Geist, und die edlen Manieren die Folge edler Gesinnungen sind? Die ihnen imponiert durch die öffentliche Stimme, durch Gesetze der Feinheit und Vernunft, wie sie in keinem Gesetzbuche stehen? – Durch welche Macht werden ihnen hinlängliche Zweifel an ihren Vollkommenheiten erweckt, damit sie sich bemühen, Männer von Verdienst zu werden, ohne aufzuhören, liebenswürdige Männer zu sein? – Kurz, diese Macht, mein Freund, diese mit so vielen anderen vernichtete Macht – sie bestand einst!

»Es waren die Frauen!

»Damals würde die Furcht vor dem Urtheil der Salons, in welchen er leben sollte, dem Herzog Yves von Mauléon niemals erlaubt haben, sich gänzlich von seiner Familie zu trennen; er, der Sprößling zweier edlen Häuser, der Erbe eines so großen Namens, würde nie gewagt haben, in einer Gesellschaft zu leben, die nicht die unsrige ist, und dort« – damit hielt sie wieder inne; – was sie noch hinzu zu fügen hatte, schien nicht über ihre Lippen zu wollen.

»Es ist also wahr, was man sagt?« erwiderte der