Читать онлайн
Katharine Blum

Нет отзывов
Dumas (père), Alexandre
Katharine Blum

Erstes Kapitel
Vor der Erzählung

Gestern warfst Du mir vor, daß ich nicht genug Bücher wie »Conscience« schriebe; ich antwortete, daß Du jedes Buch erhalten würdest, das Du fordern wolltest, und fragte, was für eins Du wünschtest.

Da sagtest Du: »Ich möchte eine Geschichte aus Deiner Jugend, ein kleines unbekanntes Drama, das unbemerkt im Schatten der großen Bäume jenes Waldes spielt, dessen geheimnisvolle Tiefen Dich zum Träumer, dessen melancholisches Rauschen Dich zum Dichter machte, eines von den Ereignissen, die Du zuweilen im Familienkreise erzählst, wenn Du von den langen Romanen ausruhen willst, die Du schreibst. Ich liebe Dein Heimathland, obgleich ich es nicht kenne, obgleich ich es nur von fern, durch Deine Erinnerungen, gesehen habe, wie man im Traume eine Landschaft sieht. —«

Auch ich liebe Dich, Vaterland, liebes Dorf! denn es ist doch nichts weiter, als ein Dorf, wenn es sich auch den Titel »Marktflecken« oder »Stadt« anmaßt. Ich liebe es so sehr, daß ich, nicht Euch, meine Freunde, wohl aber die Gleichgültigen mit Erzählungen davon ermüde. Für mich ist Villers-Cotterets das, was Colmar für meinen alten Rusconi; für ihn ist Colmar der Mittelpunkt der Erde, die Achse, um die sich die ganze Welt dreht; in Colmar hat er alle Leute kennen lernen. Mit Carrel hat er hier sich 1821 verschworen, Talma hat er hier 1816 spielen, Napoleon 1808 hier durchreisen sehen. Für mich datiert sich Alles von Villers-Cotterets, wie für Rusconi Alles von Colmar.

Nur hat Rusconi vor mir, ich weiß nicht ob den Vorteil oder Nachtheil, daß er nicht in Colmar geboren ist; er ist in Mantua, der Herzogsstadt, der Vaterstadt Virgils und Sordellas geboren, während ich in Villers-Cotterets zur Welt kam.

Du siehst, liebes Kind, daß ich, ohne sehr gedrängt zu werden, von meiner Vaterstadt spreche, deren weiße Häuser im Hintergrunde der Hufeisenform ihres ungeheuren Waldes das Aussehen von Vogelnestern haben, und von der Kirche mit dem langhälsigen Thurme überragt und überwacht werden. So bald Du von meinen Lippen das Siegel nimmst, welches meine Gedanken und Worte verschließt, quellen sogleich Gedanken und Worte rasch hervor, wie der Schaum aus einer Bierflasche, welcher uns zu einem Schrei zwingt und uns im Exil an der Tafel von einander entfernt oder wie der Schaum des Champagners, der ein Lächeln auf unsere Gesichter bringt und uns wieder vereinigt, indem er uns an die Sonne unseres Vaterlandes erinnert.

Nun, habe ich nicht wirklich dort gelebt, da ich dort das Leben erwartet habe? Man lebt viel mehr durch die Hoffnung, als durch die Wirklichkeit. Was vergoldet den Himmel und macht ihn blau? Ach, liebes Kind, Du wirst es einst erfahren; – die Hoffnung. Dort bin ich geboren, dort habe ich meinen ersten Schmerzensschrei ausgestoßen, dort sah meine Mutter mein erstes Lächeln, dort habe ich, ein Blondkopf mit rothen Wangen, nach jenen kindlichen Täuschungen gejagt, welche uns entweder entgehen oder uns, wenn wir sie erreicht haben, nur ein wenig samtartigen Staub an den Fingern zurücklassen, und die Schmetterlinge heißen. Ach, es ist nur zu wahr und sonderbar, was ich Dir sagen will: nur in der Kindheit sieht man schöne Schmetterlinge, dann kommen stechende Wespen, später Fledermäuse, die Vorboten des Todes.

Man kann die drei Altersstufen so zusammenfassen: Jugend, reifes Alter, Greisenthum; Schmetterlinge, Wespen, Fledermäuse. —

Dort starb mein Vater. Ich stand in dem Alter, wo man nicht weiß, was der Tod ist, kaum weiß, was ein Vater ist.

Dorthin habe ich meine Mutter nach ihrem Tode gebracht; auf dem reizenden Gottesacker – der mehr einem Blumengarten gleicht, worin Kinder spielen sollen, als einem Trauerfeld, wo Leichen schlafen – da schläft sie an der Seite des Soldaten vom Mauldefeld, des Generals von den Pyramiden. Ein Stein, den die Hand einer Freundin auf ihr Grab gesetzt hat, schützt sie Beide.

Zu ihrer Rechten und Linken liegen die Großeltern, der Vater und die Mutter meiner Mutter, Tanten, an deren Namen ich mich erinnere, aber deren Gesicht ich nur durch den gräulichen Schleier langer Jahre sehe.